Aufruhr! 50 Jahre Stonewall – 25 Jahre CSD Bielefeld

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Aufruhr! 50 Jahre Stonewall – 25 Jahre CSD Bielefeld

Vor 50 Jahren –In der Nacht vom 27. Auf den 28. Juni  1969  wehrten sich die lesbischen, schwulen und trans*  Gäste der Bar Stonwall Inn in der Christopher Street in New York erstmals gegen die willkürlichen und brutalen Razzien und Verhaftungen der Polizei. Die überraschte Polizei, die nicht mit Gegenwehr gerechnet hatte, musste Verstärkung anfordern, um den Aufruhr aufzulösen.  Unklar ist bis heute, was die Straßenschlacht in der Christopher Street ausgelöst hat.  Möglicherweise war es die Dragqueen, die eine Bierflasche nach einem Polizisten geworfen hat, nachdem sie von dessen Schlagstock verletzt wurde, oder die lesbische Frau, die sich vehement dagegen gewehrt hat, verhaftet und  in einem Polizeiauto abtransportiert zu werden.

Die mehrtägige radikale Gegenwehr von Lesben, Schwulen und Transgender in der Christopher Street war auf jeden Fall der Ausdruck der lang aufgestauten Wut gegen gesellschaftliche Repressionen und polizeilicher Willkür. Sie ist aber auch Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins und der Beginn einer radikaleren offenen homosexuellen Befreiungsbewegung, nach dem  Vorbild der amerikanischen  Bürgerrechtsbewegung. Die Christopfer Street wird zum Symbol schwul-lesbischer Emanzipation.

Vor 50 Jahren  – Am 25. Juni 1969  wurde in der Bundesrepublik Deutschland der von den Nationalsozialisten  verschärfte § 175 reformiert. Die Strafbarkeit homosexueller Kontakte zwischen erwachsenen Männern wurde abgeschafft.  Es bestand jedoch weiterhin eine unterschiedliche Schutzaltersgrenze. Sie lag bei homosexuellen Kontakten bei 21 Jahren, während sie bei heterosexuellen Kontakten bei 14 Jahren lag. Abgeschafft wurde der § 175 erst im Jahr 1994 im Zuge der deutschen Wiedervereinigung.

Vor 50 Jahren  – zog auch durch die BRD ein Hauch von Revolte. Die  Studentenbewegung  kämpfte für Gesellschaftsveränderung, Frieden und Gerechtigkeit. Die neue Frauenbewegung, engagierte sich gegen patriarchale Strukturen, für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Sie rückte die privaten Bedürfnisse und ihre Bedeutung für die Möglichkeiten politischer Emanzipation in den Vordergrund.

Die Straßenkämpfe in der New Yorker Christopfer Street, die Reform des § 175, der antiautoritäre Impuls der Studentenbewegung und die politischen Forderungen der Frauenbewegung haben auch in Bielefeld den Weg für eine selbstbewusste  Lesben- und Schwulenbewegung gebahnt.

1972 gründeten drei schwule Studenten die Initiativgruppe Homosexualität Bielefeld (IHB). Die IHB kämpfte gegen Diskriminierung und Heteronormativität. Sie unterstützte im Coming-out und förderte schwules Selbstbewußtsein.

Lesbische Frauen organisierten sich im Frauenzentrum und kämpften gemeinsam mit hetero-und bisexuellen Frauen für Gleichberechtigung und Emanzipation.

Anfang der 80-er Jahre differenzierte sich auch die Szene in Bielefeld: Homosexuelle und Kirche (HuK), die Schwulengruppe an der Uni, das Frauen- und Lesbenreferat an der Uni, die SCHWUSOS (schwule Jungsozialisten), die SCHWUDOS ( Schwule Jungdemokraten), Warminia und viele andere Gruppen trugen zur Verbesserung des Lebenslage von Lesben und Schwulen in der Stadt bei. In Folge der Aidskrise gründete sich Mitte der 80-er Jahre die Aidshilfe.

 Vor 25 Jahren 1994 organisierte die schwul-lesbische Aktionsgruppe – eine der 1. Gruppen in Bielefeld, in der Lesben und Schwule zusammen gearbeitet haben,  den ersten  CSD in Bielefeld.  Seitdem wird der Christopher-Street-Day (CSD) mit einer Demo durch die Innenstadt, einem Straßenfest, vielen Veranstaltungen und einer großen Party  gefeiert.

Der CSD  kämpfte zu Beginn für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Seit einigen Jahren, demonstrieren Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Freund*innen gemeinsam für sexuelle und geschlechtlicher Vielfalt. Sie wehren sich gegen Diskriminierung und feiern die Erfolge der queeren Emanzipationsbewegungen.

In den letzten Jahren wurde viel erreicht. Hier nur einige Beispiele:

  • 2017 wurde die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet.
  • 2017 wurden Männer, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen wegen § 175 (BRD) und § 151 (DDR) verurteilt wurden, rehabilitiert und zumindest ein Teil von ihnen
    entschädigt.
  • 2017 hat der Rat der Stadt einen Aktionsplan zur Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans und Inter* (LSBTI*) in Bielefeld verabschiedet.
  • 2018 hat die Stadt Bielefeld eine Personalstelle für die Gleichstellung von LSBTI* geschaffen.
  • 2018 hat sich das Netzwerk lesbischer und schwuler Gruppen in Bielefeld e.V., das viele Jahre den CSD organisiert hat, in BIE Queer e.V. umbenannt.
  • 2019 organisiert BIE-Queer e.V. – das  Netzwerk für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt den CSD Bielefeld.
  • Am 01.01.2019 ist eine Änderung des Personenstandsgesetzes in Kraft getreten. Neben männlich und weiblich kann auch divers als Geschlecht ins Geburtsregister eingetragen werden.

Während in großen Teilen der Bevölkerung die Akzeptanz von LSBTI* wächst, mobilisieren insbesondere rechtskonservative Kreise, wieder massiv und lautstark gegen die Gleichstellung. Sie verunglimpfen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als „Genderwahn“ und die Aufklärung in den Schulen zu diesem Thema als „Frühsexualisierung“. Sie wollen das alte Normalitätsdiktat wieder herstellen – die heterosexuelle Kleinfamilie als Norm und alle anderen Lebensformen als Abweichungen von der Norm, die nicht ganz so wertvoll sind.

Der CSD Bielefeld wehrt sich gegen diese Form der Heteronormativität. Alle Menschen, egal welche sexuelle und geschlechtliche Identität sie leben, besitzen die gleiche Würde und verdienen den gleichen Respekt.

50 Jahre Stonewall  und 25 Jahre CSD Bielefeld zeigen: Widerstand lohnt sich! Ein besseres Leben ist möglich! Der Kampf für Gleichstellung, Akzeptanz und Gerechtigkeit geht weiter!

 

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